Minimalismus – gibt es ein Optimum? Oder sind wir einfach irre?

minimalistisches-schlafzimmer

Zwei Kommoden & ein Nachttisch haben den Raum verlassen. Nun bin ich mit dem Entrümpeln unseres Schlafzimmers fertig und ich liebe es. Ein schönes Bett. Eins, wie ich es mir immer gewünscht habe steht in der Mitte des großen Raumes. Eine Yucca-Palme erweckt den Raum mit Leben. Die graue Wand strahlt Ruhe aus und macht sich gut. Das Klavier steht am richtigen Platz. Die Noten liegen darauf und sind aussortiert. Hier kann nichts herum liegen. Der Raum ist absolut clean und endlich so wie ich ihn haben will. Alles was da ist hat seine Berechtigung, weil es mir entweder Freude macht (wie das Klavier) oder einen Zweck hat (wie die Nachttisch-Lampe, die auf dem Boden neben dem Bett steht). Wenn ich den Raum putzen will ist das in ein paar Handgriffen gemacht, weil es kaum Oberflächen gibt (außer Klavier & Fensterläden). Fertig? Meine Augen scannen.

Ist man eigentlich jemals fertig mit dem Minimalisieren? Die Frage stelle ich mir regelmäßig. Immer wieder komme ich an einen Punkt an dem ich das Gefühl habe fertig zu sein mit dem Entrümpeln & an dem ich zufrieden bin. Doch spätestens zwei Wochen später fällt mir dann wieder etwas in die Hände, das ich in meine „Donation Box“ lege. Jedes mal frage ich mich dann: „War’s das jetzt? Hört das jemals auf?“ Ehrlich gesagt kommt es mir inzwischen schon etwas albern vor.

Seit Jahren minimalisiere ich immer wieder meinen Haushalt. Und seit etwa 1,5 Jahren setze ich mich mit Minimalismus auseinander. Hab das Prinzip verstanden. Habe verstanden, dass ich nach dem Aussortieren keine Großeinkäufe machen sollte um leere Schränke wieder zu füllen. Dass ich mein Konsumverhalten allgemein hinterfragen sollte. Langsam habe ich es verstanden. Und doch taucht immer wieder irgendwo ein Gegenstand auf, bei dem ich mich frage wieso der nicht schon längst aus meinem Haushalt gewandert ist. Und das, obwohl ich schon mehrmals entrümpelt habe.

Teilweise ist es natürlich. Einige Gegenstände wandern in unsere Wohnungen über einen bestimmten Zeitraum, seien es Geschenke oder neue Anschaffungen. Aber bei einem bewussten & einem natürlichen Minimalisten im Haushalt hält sich das in Grenzen. Es sind auch weniger die neuen Gegenstände, vielmehr habe ich das Gefühl das ich „radikaler“ werde beim Entrümpeln.
Außerdem will ich es schön haben in meinem Zuhause. Nicht pinterest-mäßig wohnzeitschriften-toll. Sondern einfach gemütlich. Das ist mir wichtig. Daher lasse ich mir Zeit für die Räume, in denen wir nun seit gut 1,5 Jahren leben. So werde ich natürlich nicht besonders schnell „fertig“ mit den Räumen.

Und ich frage mich einfach… ist es vielleicht ein klein wenig irre, dass man irgendwann immer mehr loswerden will? Ist das vielleicht auch eine Art Sucht oder Zwang? Oder dauert es einfach so verdammt lange bestimmte Dinge los zu lassen? Wird man einfach radikaler mit der Zeit wenn es ums Entrümpeln geht? Wie geht es euch damit? Ich würde wirklich gern eure Meinung dazu hören.

11 Kommentare zu „Minimalismus – gibt es ein Optimum? Oder sind wir einfach irre?“

  1. Ich denke, jeder, der sich mit dem Minimalismus beschäftigt, beginnt mit dem Lernen, dass Loslassen schmerzlich aber befreiend sein kann (oder etwas in die Richtung), also das erste Aussortieren, mit meist noch recht vielen Gedanken – woher kam der Gegenstand, was ist geschehen seitdem usw. Dann im nächsten das Verkaufen z.B. – etwas positives in Form von Geld, das das Loslassen leichter macht. Man macht aber weiter, irgendwann routiniert sich alles, man gewöhnt sich daran, das Weggeben fällt leichter und man muss auch nicht mehr alles verkaufen, verschenkt viel mehr, weiß, man braucht keine Ersatzleistungen mehr. Da greift das Loslassen dann ins Innere, man hat es im wahrsten Sinn des Wortes also verinnerlicht. Und ich denke, das ist der Punkt, an dem es gut ist, wie es ist. Das Aussortieren ist ohne Schmerz und die Wohnung und der Mensch bleiben geordnet. Aber ich kann mir auch vorstellen, dass es eine Art Sucht werden kann. Man immer kleiner werden will und erinnere mich an einen Satz eines Freudes, der meinte: „Warum willst du dich auflösen?“ Einfach um mich zu treffen und mich nachdenklich zu stimmen. Stimmt das? Will man immer weniger Platz einnehmen, oder ist es vielmehr, dass wir selbst größer werde, wenn die Dinge um uns schrumpfen? Denn so sollte es sein. Wenn es in die andere Richtung geht, sollte man noch einmal innehalten und überlegen welche Ziele man mit dem Minimalismus verfolgen wollte von Beginn an.
    Aber ja, ich glaube, bei jedem Durchgang kann man mehr DInge loslassen, weil manches mehr Zeit braucht oder eben auch man selbst. Aber solange man sich wohl fühlt und nicht nur noch alles ums Loswerden kreist, ist denke ich alles okay. Denn es soll einen ja erleichtern und nicht umkreisen und einschnüren.
    :)

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    1. Absolut. Ich denke man merkt mit der Zeit einfach was essentiell ist und kann daher leichter loslassen weil wir weniger Bezug zu den Gegenständen um uns herum haben. Und wie du auch sagst, geht es im Prinzip natürlich um etwas anderes. Manchmal ist es wahrscheinlich auch einfach bequem sich mit dem Entrümpeln zu beschäftigen anstatt mit den tiefergehenden Dingen :-)

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  2. Ja, ich glaube schon, dass es auch in eine Art Zwang umschlagen kann. Obwohl ich mich ja auch schon länger mit dem Thema beschäftige, würde mein Zimmer dennoch deinem nie ähneln – aber das ist natürlich individuell.
    Dennoch sortiere ich ich beständig das ein oder andere Teil aus. Zum einen, weil doch immer mal wieder einiges dazu kommt, zum anderen, weil man durch die Auseinandersetzung mit dem Thema zunehmend sensibilisiert wird und sich vielleicht von Dingen, bei denen man am Anfang noch den altbekannten „iiiiirgendwann brauche ichs‘ wieder“-Gedanken hatte oder die man vielleicht auch nie in Frage gestellt hat, mit dem Laufe der Zeit doch klarer sieht.
    Aber das soll doch jeder machen, wie er möchte. Viele Menschen streben eben nach dem Optimun und gehen Projekte sehr ehrgeizig an, nicht ohne Grund gibts sicher auch den „eine bestimmte Anzahl“-Anreiz.

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    1. Auf jeden Fall. Jeder soll irgendwie sein Optimum finden. Am besten unabhängig von irgendwelchen „allgemeingültigen“ Angaben. Aber ich bin ja schon ein bisschen beruhigt dass es euch da zumindest auch ein bisschen so geht :D

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  3. Das Foto sieht toll aus! Richtig schön und angenehm. Ich würde es lieben, in einem so freien Raum zu schlafen. Leider habe ich eine 1-Zimmer Wohnung, also sind alle Dinge, die ich besitze, inkl. Küche, im selben Raum wie mein Bett :(
    Naja, um auf deine Frage einzugehen: Ich denke schon, dass Minimalisieren leicht süchtig macht. Es verschafft ein positives Gefühl und man hat das Gefühl an einem wertvollen Langzeitprojekt zu arbeiten. Ich finde das aber überhaupt nicht schlimm, solange man nicht pedantisch wird und darauf achtet, ob man jetzt 10 oder 11 Haargummis besitzt ;)

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  4. Ich denke nicht, dass es irre ist, dass man, wenn man einmal mit dem Minimalisieren angefangen hat, irgendwann immer mehr loswerden möchte. Man lernt einfach mit der Zeit immer besser zwischen den Dingen, die man wirklich braucht und denen, die man nur vermeintlich braucht, zu unterscheiden.

    Auch bin ich der Meinung, dass das Minimalisieren schon in eine Art Sucht oder Zwang umschlagen kann, aber nur weil man sich in regelmäßigen Abständen auf die Suche nach Dingen macht, die den Haushalt verlassen können, ist es noch keine Sucht bzw. noch kein Zwang.
    Solange man sich nicht jeden Tag (jede Woche, …) zwanghaft auf die Suche nach zu minimalisierenden Dingen machen muss, sondern auch mal eine Zeit lang einfach nichts aussortieren kann, ohne gleich in Panik zu verfallen bzw. auch einfach einmal eine gewisse Zeit lang mit dem aktuellen Ergebnis zufrieden sein kann, finde ich, ist nichts Schlimmes dran, wenn man sich immer mal wieder ans Aussortieren macht.
    Von einer Sucht oder einem Zwang würde ich wie gesagt erst dann sprechen, wenn man ein zwanghaftes Verhalten an den Tag legt, das Ganze nicht mehr unter Kontrolle hat und nicht mehr selbst steuern bzw. sich nicht (mehr) bewusst für oder gegen das Aussortieren entscheiden kann.
    Außerdem ist es meiner Meinung nach auch immer wichtig, die Hintergründe mit zu betrachten. Wieso möchte ich (oder jemand anderes) minimalisieren?
    Weil ich keinen Platz mehr in meiner Wohnung haben?
    Weil ich mich von meinem ganzen Besitz erdrückt fühle?
    Weil ich viel zu viele Dinge habe, die ich sowieso nie benutze und die nur unnötig Platz wegnehmen?
    Oder will ich nur aussortieren um des Aussortieren willens?
    Weil mir das „Entsorgen“ einen „Kick“ gibt?
    Weil ich einfach nur Platz für Dinge meines nächsten Kaufrausches schaffen will?

    Daneben finde ich es ebenfalls wichtig, sich einmal anzuschauen und zu fragen, ob einen das Aussortieren belastet oder ob es einem Freude macht, einen befreit, …
    Denn wenn man durch das Aussortieren nicht nur Platz in seiner Wohnung schaffen will für neue Anschaffungen, sondern es macht, weil man wirklich minimalisieren möchte, um sich nicht mehr eingeengt und erdrückt zu fühlen von seinem ganzen Besitz, sondern einfach freier und es einem obendrein auch noch Freude macht, auf die Suche nach immer weiteren Dingen zu gehen, die den Haushalt verlassen können und man zudem noch die Kontrolle darüber hat und sich bewusst dafür oder dagegen entscheiden kann, ist doch alles gut. :)

    Minimalismus geht nicht von heute auf morgen und auch nicht innerhalb von einem Jahr oder 2 oder 3 … Minimalismus ist ein (lebenslanger) Prozess. Daher finde ich es normal, dass man, wenn man einmal angefangen hat, sich damit auseinanderzusetzen, immer weitermacht und immer wieder neue Dinge findet, die weg können. Mit jedem Aussortieren verändert sich ja auch die eigene Wahrnehmung und das eigene Gefühl dafür, was man wirklich braucht und was nicht.

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  5. Mh, ich glaube, dass das Ausmisten und Minimalisieren über einen längeren Zeitraum in Etappen abläuft, ist völlig normal. Außerdem verändert sich unser Denken und unser Geschmack ja auch im Lauf der Zeit, und so kann es durchaus sein, dass dir jetzt ein Gegenstand in die Hände fällt, der „raus muss“, obwohl du ihn früher vielleicht schon mal in die Kategorie „Behalten“ gegeben hast. :-) Wie alles im Leben kann auch Minimalismus zur Sucht bzw. zum Zwang werden. Ob das so ist, spürst Du glaub ich selbst am besten. Das Foto von Deinem Zimmer ist jedenfalls total schön! Klaviernoten ausmisten hab ich derzeit noch vor mir, das wird ein Projekt! ;-) Alles Liebe, Katharina

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  6. Den Gedanken hatte ich auch schon. Mich hat Marie Kondo da weitergebracht. Ich hatte vorher das Gefühl, dass fast nichts Berechtigung hat, behalten zu werden. Denn was braucht man schon wirklich? Doch ich gehöre zu den Menschen, die ein klein bisschen Unordnung gemütlich finden und irgendwann war nichts mehr da für eine Unordnung. Mittlerweile besitze ich von den richtigen Dingen nicht viel (etwa nur ein Haargummi), aber dafür an anderen Stellen in totaler Fülle, ich besitze zum Beispiel einen riesigen Teppich, der den Raum füllt ohne ihn zu verstopfen. Ich habe nichts mehr, dass mir überflüssig vorkommt, da ich es entweder regelmäßig benutze oder liebe. Trotzdem wandert auch bei mir immer wieder mal was im Aussortierstapel und das ist nur natürlich (wie du es schon erkannt hast). Der Unterschied ist wohl: bist du unruhig, WILLST du UNBEDINGT noch was aussortieren? Dann genießt du vielleicht das befreiende Gefühl, Sachen auszusortieren. Das war bei mir zumindest so.

    Mir gefällt dein Blog. Auch, weil du personalisiert an das Thema Minimalismus herangehst und nicht nur den Trendregeln wahnhaft hinerherläufst.

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  7. Die Eltern eines Freundes, beide jenseits der 70, fangen mittlerweile an, ihre komplette Habe an jüngere Menschen abzugeben, bei denen davon auszugehen ist, dass die abgegebenen Gegenstände noch einmal einen neuen Lebenszyklus eingehen werden. Diese Einsicht in die eigene Vergänglichkeit und die damit verbundene Erkenntnis, dass Besitz am Ende eines langen Weges wenig bis nichts zählt, finde ich extrem mutig und edel.

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