Unser Ego schreit nach Zielen. Wir wünschen uns oft so viel mehr, träumen von einem Ideal. Denken, dass uns das glücklich macht. Vielleicht macht uns das Erreichen eines Zieles auch glücklich, vor allem stolz. Doch Ziele bauen Druck auf. Druck, den wir manchmal vielleicht auch ein bisschen brauchen? Unser Ego kreischt auf – Begeisterung oder Entsetzen, die Mischung treibt es auf die Spitze. Wir sehen hilflos zu und fragen uns – sind Ziele das, wonach wir streben? Brauchen wir sie gar? Warum haben wir alle überhaupt welche?
Eine Frage die gar nicht so einfach zu beantworten ist. Denn wir alle wissen wie laut unser Ego werden kann.
„Ein Mensch braucht Ziele“, sagt mein Freund und hört sich dabei unwahrscheinlich deutsch an. Ich nehme es ihm nicht übel, schließlich bin ich mir selbst unschlüssig. Selbstverständlich haben wir Ziele, jeder hat sie. Sie führen uns, motivieren und konditionieren uns, lassen uns viel erreichen. Warum sollte man das auch hinterfragen?
Ich denke einfach, dass uns persönliche Ziele das Stück Freiheit nehmen, dass uns allen ganz gut tut. Sie sind etwas das uns Halt gibt im Leben, eine Linie, etwas woran wir uns orientieren können. Und gleichermaßen halten sie uns ein wenig fest. Während Struktur und Erfolg immer wichtiger werden, verlernen wir uns frei zu bewegen. In unserer Gesellschaft, in der wir so viele Möglichkeiten hätten und uns alle Wege offen sind scheinen wir uns immer mehr festhalten zu wollen an künstlichen Regeln die wir uns selbst schaffen.
Ist es nicht wichtig auch einfach mal seine eigenen Träume zu träumen? Dinge zu tun, ohne dass sie irgendeinen Sinn haben? Mal ab und an wieder Kind sein? Einfach so in den Tag reinzuleben? Anders zu sein? Umzukehren oder den Kurs zu wechseln? Hin und wieder aufgeben, ohne dass es sich anfühlt als hätte man versagt? Kein Plan haben? Die Füße etwas länger in den warmen Sand zu graben? Oder sich einfach mal fallen zu lassen, anstatt verzweifelt auf dem Seil zu balancieren?
Wenn wir ehrlich sind, haben Ziele sehr viel mit Prestige zu tun. Wir setzen sie nicht nur für uns, sondern auch für eine Gesellschaft, die uns im Nacken sitzt und ständig fragt: „UND DU???“. Indem sie dafür stehen was wir im Leben erreichen wollen, rechtfertigen Ziele das was wir tun obwohl wir den großen Plan vielleicht gar nicht haben. Mit all den kleinen Zielen und Regeln kann man sich mit der nötigen Strenge und Disziplin gut verlieren und ich denke, das ist auch manchmal der Sinn des Ganzen: Sich Ausreden zu suchen um sich nicht die wirklich wichtigen Fragen zu stellen oder nicht darüber reden zu müssen. Und das meine ich nicht negativ, im Gegenteil. Ich glaube dass sich vor allem viele junge Menschen damit identifizieren können.
Die Frage wonach wir im Leben wirklich und wahrhaftig streben, können wir natürlich nicht einfach beantworten. Ist es eine Karriere? Eine erfüllte Partnerschaft? Ein Astralkörper? Makellose Instagram-Bilder? Nichts daran ist falsch, solange es für dich persönlich ehrlich wichtig ist. Und wenn die Motivation dann auch noch stimmt, warum nicht?
Ich glaube, Ziele sind wichtig im Leben. Nicht weil wir nach Perfektion und Produktivität streben sollten um uns zu verrennen, sondern einfach weil es uns gut tut, Dinge zu tun, kreativ und aktiv zu werden und neues zu entdecken. Und wenn Challenges und persönliche Ziele dabei helfen, großartig! Nur finde ich, wir sollten unsere Ziele ehrlich hinterfragen und sie nicht dahingehend auswählen, wie sie sich anhören, wie erstrebenswert sie in einem gesellschaftlichen Bild sind oder wie aktuell das Thema gerade ist. Wenn du Ziele brauchst, such sie dir. Es sind deine. Du bestimmst, worauf du Wert legst. Und wenn wir uns schon verrennen und manchmal zu streng zu uns sind, dann bitte nur für uns selbst. Und nicht für andere.
Hallo liebe (ich weiß leider deinen Namen nicht),
danke für deine ehrlichen Worte. 🙂 Ich bin auch der Meinung, dass Ziele auf jeden Fall wichtig sind. Ohne sie, wüsste ich persönlich nicht, wohin ich mich bewegen muss. Das mag jetzt etwas überspitzt klingen, aber meine persönlichen und beruflichen Ziele geben mir eine Richtung vor. Was ich dann daraus machen, ja, das liegt dann in meinen Händen. 🙂 Auf jeden Fall vielen Dank für deine Worte – tat gut zu lesen. lg
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Hi Autorin 🙂
Seit Jahren (oder gar schon immer?) stromere ich absolut ziellos durch’s Leben. Wohlgemerkt nicht taten-, sondern wirklich bloß ziellos. Sehr oft schon habe ich, wie von Dir beschrieben, diese „Und Du?“-Blicke empfangen, wenn das in Gesprächen oder dergleichen mal fiel. Interessant, wie selbstverständlich es heutzutage zu sein scheint, dass jeder irgendwo hin oder noch das Nächste und das Nächste erreichen will. Da finde ich es sehr erfrischend und angenehm, mal von jemandem zu lesen, der dies ähnlich kritisch, oder zumindest hinterfragend, betrachtet.
Mit dem einleitenden Satz triffst Du den Nagel meiner Meinung nach auf den Kopf. Bei genauer Betrachtung und Analyse wird schnell klar, dass ein Großteil, also wirklich beinahe alles an Zielen, fremdbestimmt und unbemerkt konditioniert ist, also Nebenerscheinungen des Ego. Ich fände es schön (und für viele auch sicher ungemein erleichternd), wenn sich mehr Leute mal, ganz zwang- und urteilsfrei, selbst fragen würden, woher ihre Ziele überhaupt kommen und was genau sie so wichtig und dringend erscheinen lässt. Ich bin mir sicher, dass viele bemerken würden, dass es ursprünglich gar nicht „ihre eigenen“ Ziele sind, die sie so krampfhaft verfolgen.
Ich persönlich würde daher sogar noch einen Schritt weiter gehen und ganz rigoros behaupten, dass wirklich keine Ziele im Leben wichtig sind. Auch ohne jegliches Ziel bin ich aktuell irgendwo angekommen und dort sehr zufrieden. Mein einziges Ziel also besteht wohl eher darin, weiterhin kein Ziel zu haben und zu schauen, wo ich noch so ankomme 🙂
Ein wirklich schöner, interessanter und treffender Text!
Viele liebe Grüße
Hendrik
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