Ich hab dich gebeten mich zu treffen. Die letzten Wochen ist zu viel passiert. Wir haben uns viel zu sagen. Vielleicht auch nicht. Du hast zumindest zugestimmt. Und nun sitze ich hier, in unserem Lieblingscafe und warte auf dich. Ich bin nervös und habe mir Tee bestellt, die Zitronennote steigt mir in die Nase und beruhigt mich. Dann kommst du durch die Tür. Du siehst dich kurz um, begrüßt mich, setzt dich auf den Stuhl gegenüber und platzierst dein Smartphone zwischen uns. Es stört mich. Du siehst mich an und ich sehe das Handy an und dann dich und ich spüre dass ich nur so lange wichtig für dich bin, bis etwas auf deinem Handy passiert das wichtiger ist als ich.
Ich reiße mich zusammen, spreche. Ich rede mir all diese Dinge von der Seele die mir so schwer fallen, weil ich dich so gern habe und doch weiß dass es nichts wird zwischen uns. Du schweigst und fühlst dich unwohl. Ich merke es und fange auch an zu schweigen. Früher konnten wir gemeinsam schweigen und es war schön. Nun klingelt das Handy und du nimmst es erleichtert in die Hand. Ich sehe dich an und du zuckst die Schultern. Ich auch. Dann stehe ich auf und gehe.
Im dritten Part meiner Minimalismus & Technologie Serie beschäftige ich mich mit Smartphones. Wie minimalistisch sind die eigentlich?
Smartphones und Tablets sind unsere kleinen Alles-Könner – sind Telefon, Terminplaner, Musik/MP3 Player, Wecker, GPS, Uhr, E-Mail und Taschenlampe in einem. Sie stellen uns praktische Apps zur Verfügung und machen inzwischen so gute Fotos & Videos dass sie eigentlich auch eine Kamera ersetzen. Damit erleichtern sie uns nicht nur den Alltag, wir sparen uns natürlich auch einen Berg von Kram. Und das mag minimalistisch sein aber bei Minimalismus geht es schließlich nicht nur darum dass wir uns Kram sparen. Vielmehr geht es in diesem Fall um den Verlust von etwas viel wertvollerem als Besitz: Zeit.
Denn das können sie auch: Diese Dinger schlucken Zeit ohne Ende, je intensiver wir sie nutzen. Ohne Smartphone fühlen wir uns isoliert und wir sind irgendwie abhängig von ihnen. Manche spüren eventuell eine leichte Sucht nach ihrem Smartphone. Das ist alles überhaupt nicht wertend gemeint. Wirklich nicht. Ich selbst habe mein Handy früher sehr viel benutzt und nutze es immer noch gefühlt etwas mehr als nötig. Denn wir brauchen nicht über den Fakt diskutieren dass es praktisch ist. Aber wir dürfen nicht vergessen dass es unsere Aufmerksamkeit sehr beansprucht und es die Spanne für eben diese killen kann.
Wir sind erreichbar. Immer. Für Notfälle, die keine sind. In Situationen, in denen wir abschalten wollen. Warum rufen so viele Menschen mit ihrem privaten Smartphone ihre E-Mails von der Arbeit ab? Da ist bei mir persönlich die Grenze schon lang überschritten. Wir müssen nicht ständig erreichbar sein. Wenn ich esse, esse ich. Wenn ich dusche, will ich nicht aus der Dusche springen weil mein Handy klingelt. Wenn ich ein Buch lese, Yoga praktiziere, mich mit meinen Freunden unterhalte – in all diesen Situationen hat ein Handy meiner Meinung nach nichts verloren.
Note: Bei diesem Thema habe ich ein wenig zu kämpfen – es ist überhaupt bei vielen Minimalismus Themen leichter über die Dinge zu sprechen oder zu schreiben als sie umzusetzen. Ich will hier überhaupt nicht predigen, auf gar keinem Fall. Ich will lediglich Denkanstöße geben. Als ich im Frühjahr in Sri Lanka war habe ich mein Handy in einem TukTuk verloren und war darüber (als ich es bemerkt hatte und der TukTuk Fahrer längst über alle Berge verschwunden war) natürlich verärgert und frustriert. Ich habe in dem Moment nicht gesagt: „Ist nur ein Gegenstand, ist egal“ weil es einfach so ist: Wir sind von diesen Dingern ein Stück weit abhängig. Aber nach ein, zwei Stunden lies das Gefühl der Hilflosigkeit nach. Es ging mir nicht um den Gegenstand sondern um die Daten & die Zeit die ich für ein neues Gerät hätte aufwenden müssen. Ich habe mir vorgenommen öfter Backups zu machen und meine Kontakte in Zukunft auch anderweitig zu speichern. Ich wollte mir meinen Urlaub nicht verderben lassen, nur weil ich mein Smartphone verloren hatte (was auch noch meine eigene Schuld war). Denn es war ein großartiger Urlaub in einem großartigen Land und dazu habe ich mein Handy nicht gebraucht.
Nach drei Tagen tauchte mein Smartphone übrigens wieder auf. Der TukTuk Fahrer hatte es zurück gebracht und natürlich habe ich mich riesig darüber gefreut.
Wir nutzen unsere Smartphones einfach zu oft. Lass dich nicht von deinem Smartphone nutzen und lass das Ding einfach mal zu Hause. Vielleicht kannst du ja auch mal ein paar Tage darauf verzichten. Einfach nur um dir bewusst zu machen wie oft wir dann dem Drang widerstehen unsere News zu checken oder uns berieseln zu lassen.
Versteht mich nicht falsch. Smartphones sind großartig und nützlich. Aber lasst sie Smartphones sein anstatt von Barrieren, Ablenkungs- oder Suchtmitteln.
Hallo! Ich finde den Beitrag sehr gut. Es ist schon komisch, wie man sich selbst da so verteidigt oder ins Hadern kommt, wenn es um das Smartphone geht ;) Ich finde es problematisch, dass bei vielen Minimalisten (ich generalisiere jetzt einfach mal…) eine total ungebrochene Technikeuphorie herrscht und etwa der Handykomsum selten kritisch reflektiert wird. Deshalb habe ich mich über den Artikel sehr gefreut! Ich versuche auch gerade, mein Leben wieder etwas zu analogisieren und habe viele Apps (die absurderweise auch auf alle möglichen Konten und Daten zugreifen durften, die sie eigentlich gar nicht bräuchten) von meinem Handy geschmissen, laufe jetzt wieder einfach mit Musik nach Runden oder der Uhr und habe sämtliche Benachrichtigungen (außer SMS und Telefon natürlich) ausgeschaltet. Vielleicht sollte man auch bedenken, dass es einem nicht nur enorme Zeit raubt, die man sinnvoller verbringen könnte (oder auch einfach mal mit Pause machen), sondern auch unfassbar viele Daten produziert, die man damit Privatunternehmen zur Verfügung stellt… Das klingt dann zwar immer leicht paranoid, aber ist einfach nicht wegzudiskutieren…
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Definitiv! Da hast du absolut recht, wir sollten viel mehr achtgeben auf unsere Daten. Ich hab schon so manche App nicht installiert wenn sie aus unerklärlichen Gründen sämtliche Zugriffe vorausgesetzt hat.
Schon allein deshalb lohnt es sich wieder einen Schritt zurück zu gehen und die Nutzung des Smartphones zu hinterfragen. Schön dass du da schon so konsequent warst und hier deine Gedanken teilst :-)
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